Verhaltenstherapeutische Paarberatung hat sich Anfang des 20. Jahrhunderts in Abgrenzung von der Psychoanalyse entwickelt. Der Fokus sollte nicht auf „Spekulationen“ über die inneren Vorgänge der Personen liegen, sondern eine konkrete Erklärung des Erlebens anhand des beobachtbaren Verhaltens ermöglichen. Deshalb setzt diese Form der Paarberatung auch direkt bei der Veränderung des Verhaltens der Personen an.
Problematisches Verhalten gilt als erlernt, und könne deshalb wieder umgelernt werden. In der verhaltenstherapeutischen Paarberatung geht es folglich darum, dysfunktionale Verhaltensmuster zu erkennen und sie mit funktionalen Verhaltensmustern zu ersetzen.
In den 70er Jahren kamen kognitive Techniken hinzu und so entwickelte sich daraus die kognitive Verhaltenstherapie. Generell wird diese Form der Paartherapie ständig weiterentwickelt und untersucht, welche Methoden die Rückfallquote in altes Verhalten minimieren.
Problematisches Verhalten
In den klassischen verhaltenstherapeutischen Modellen der Entstehung von Paarproblemen spielen erlernte Mechanismen eine zentrale Rolle. Folgende Muster führen zu einem destruktiven Verlauf in der Beziehung:
- Kapitulation eines Partners, welches zu Monotonie und Verschwinden der Leidenschaft und Lebhaftigkeit in der Beziehung führt
- Negative Besetzung des Partners durch häufig eskalierende Streitigkeiten und Konflikte.
- Verschlechterung des Beziehungsklimas durch Zwangsprozesse. Dabei versucht ein Partner ein Bedürfnis einzubringen, welches durch den anderen Partner ignoriert oder zurückgewiesen wird. Dies führt dazu, dass ersterer mit Drohungen reagiert und die Beziehung durch beidseitige Druckmittel erodiert.
Besonders häufig entstehen solche dysfunktionalen Verhaltensweisen bei Personen mit geringer Kompetenz in Sachen Kommunikation, Stressbewältigung und Problemlösung.
Erlernen von funktionierender Kommunikation in einer Paarbeziehung
Kommunikation ist die Basis um das Verhalten des Partners zu verstehen und seine eigenen Bedürfnisse zu erklären. Funktioniert sie nicht, so führt dies langfristig zu einer Distanzierung in der Beziehung. Die folgenden Fertigkeiten der jeweiligen Rollen werden in der Verhaltenstherapeutischen Beratung geübt:
Sprecherrolle:
- Sich öffnen
- Sprechen aus der „Ich“-Perspektive
- Konkrete Situationen ansprechen
- Konkretes Verhalten ansprechen
- Beim Thema bleiben
Zuhörerrolle:
- Aufmerksames Zuhören
- Zusammenfassen und Inhalte wertfrei wiedergeben
- Offene Fragen stellen
- Positive Rückmeldung geben
- Rückmeldung des eigenen Gefühls
Funktionales Verhalten lernen
Funktionale Verhaltensweisen in einer Liebesbeziehung zeigen sich häufig darin, dass sich die Partner gegenseitig unterstützen und ein Wir-Gefühl entwickeln. Folgendes Verhalten soll erlernt werden:
- Verständnis, Empathie und Wertschätzung gegenüber dem Partner
- Aktives Interesse am Erleben und den Gefühlen des Partners
- Beistand und Solidarisierung mit dem Partner
- Körperliche Zuwendung
- Den Partner aktiv entlasten und bei Problemen helfen
Training
Während der Paarberatung werden verschiedene Übungen durchgeführt um das zu erlernende Verhalten zu trainieren und zu verstärken. Der Inhalt einer verhaltenstherapeutischen Paarberatung könnte folgende Übungen enthalten.
Reziprozitätstraining
Während sich in problematischen Interaktionen der Partner negative Gefühle gegenseitig bis zur Eskalation hochschaukeln, sollen durch das Reziprozitätstraining wieder positivere Interaktionskreisläufe hergestellt werden.
Jeder Partner kann für sich Ideen sammeln, wie sie dem anderen etwas Gutes tun können. Beispiele hierfür sind Anerkennung, Lob, Umarmungen, Zärtlichkeiten, Interesse oder ähnliches. In größerem Umfang können sogar regelmäßige Termine vereinbart werden, um positive Erlebnisse gemeinsam zu erleben (z.B. Dates, Sexualität, Hobbies). Gerade bei beruflich oder anderweitig stark eingespannten Paaren kann dies den Blick wieder mehr auf die Paarbeziehung richten.
Reziprozitätstraining ist oft Teil der Hausaufgaben, die ein Paarberater seinen Klienten zwischen den Sitzungen auf den Weg gibt.
Problemlösetraining
Problemlösetrainings gehören zu den typischen Elementen einer kognitiven Verhaltenstherapie für Paare. Hier wird den Partnern zunächst vermittelt, welche konkreten Schritte bei einer gemeinsamen Problembewältigung hilfreich sind. Diese sind in der Regel:
- Problembeschreibung
- Wertungsfreies Brainstorming nach (kreativen) Lösungen
- Lösungsoptionen abwägen und bewerten
- Auswahl einer Option und konkretes Planen von Handlungsschritten zur Durchführung
- Umsetzung und anschließende Evaluierung
Nach der Theorie folgt in der Sitzung mit dem Paarberater dann oft die Anwendung an konkreten Alltagsproblemen des Paares.
Kognitive Umstrukturierung
Eine Partnerschaft und deren Qualität kann von den Partnern nicht erlebt werden, ohne dass sie individuell gedeutet und interpretiert wird. Im äußersten Fall führt dies zu Situationen, in denen ein Partner ganz unabhängig von seinem Verhalten als abweisend, provokant oder aggressiv erlebt wird. Eine Änderung des Verhaltens bleibt in solchen Fällen wirkungslos. Die kognitive Umstrukturierung setzt deshalb an der Kognition in Bezug auf den Partner an. Durch Techniken soll erlernt werden, die eigene Einstellung zu reflektieren, selber auf den Prüfstand zu stellen und gegebenenfalls durch eine angemessenere Bewertung zu ersetzen. Auch hier gibt es fünf Schritte:
- Vermittlung des kognitiven Modells: Den Partnern wird beigebracht, dass sie nicht unter der externen Situation, sondern unter der eigenen Interpretation dieser leiden. Hierfür werden in der Beratung Beispiele gesammelt und analysiert
- Aufdecken problematischer Kognitionen: Anhand des sogenannten ACB-Modells werden negative Interpretationsmuster identifiziert.
- A – Auslösende Reize (A) werden gesucht
- C – Welche Konsequenzen (C) entstehen daraus für die Gefühle
- B – Welche Bewertungen (B) schließt das Gegenüber daraus
- Infragestellen der negativen Kognitionen: Die betroffenen Partner hinterfragen die identifizierten Prozesse. Welche Gefühle werden hervorgerufen und sind diese Muster hilfreich?
- Ausarbeitung angemessenerer Kognitionen: Nun können funktionale Alternativen erarbeitet werden. Wie kann Verhalten treffender und hilfreicher interpretiert werden?
- Übung: Abschließend werden die neuen positiven Interaktionskreisläufe zusammen geübt und wiederholt, um sie im Alltag umzusetzen.
Wie wirksam ist die verhaltens-
therapeutische Paarberatung?
Auch wenn neuere Richtungen, wie zum Beispiel die akzeptanzorientierte Paartherapie Fortschritte erreichte, basiert das Konzept doch auf der folgenden Annahme:
Klienten können funktionales Verhalten durch Erklärung und Übung erlernen und beibehalten.
Gegen einen solchen Ansatz, insbesondere bei einer Paarberatung, gibt es allerdings mittlerweile zahlreiche Belege, dass er dauerhaft wenig hilfreich und wirkungsvoll ist. Neurowissenschaftliche Erkenntnisse weisen darauf hin, dass auf das neu erlernte Verhalten unter der Einwirkung starker Affekte kaum zurückgegriffen werden kann. Die Rückfallquote bei der verhaltenstherapeutischen Paarberatung ist also ziemlich hoch. Es wird davon ausgegangen, dass die Erfolgsrate ungefähr bei einem Drittel liegt.
Lesen sie den ausführlichen Artikel „Was bringt verhaltenstherapeutische Paarberatung?“